Tinder, tanzen und der Kater danach

Mit Kater, das sei vorab erwähnt, ist in diesem Zusammenhang nicht der verhasste Kater nach einem feucht fröhlichen Abend gemeint. Vielmehr ist es ein Gefühl der Erschöpfung, das einsetzt, wenn viele neue Eindrücke, Geschichten und Persönlichkeiten auf die Bildfläche treten und man nicht weiß, welchen Gefühlen man sich hingeben, welcher Wahrnehmung man trauen kann und was eher an Einbildung grenzt.

Von der Bildfläche verschwinden können Männer ja bekanntlicher Weise sehr gut und sehr schnell. Ich habe diese Erfahrung, ganz ernsthaft, bis jetzt noch nicht machen dürfen, die Männer, die bis jetzt in mein Leben getreten sind, wollten alle samt nicht mehr gehen… bis ich sie bat, die Bühne zu verlassen. Häufig, weil ich mich in meiner Rolle nicht mehr wohl gefühlt habe, oder aber die Zeit zu große Veränderungen mit sich gebracht hat. Es ist traurig, dass ich so viele tolle Menschen, mit denen ich eine Zeit lang gemeinsam auftreten dürfte, nicht in meinem Leben halten konnte. Spricht nicht gerade für mich, weiß ich auch. Umso ernüchternder ist jetzt die Erfahrung für mich, nicht mehr direkt den Glücksgriff getätigt zu haben, sondern im sprichwörtlichen Sinne in Scheiße schwimmen lernen zu müssen. Die Alternative würde bedeuten, endlich zu lernen, alleine, nur mit mir selbst zufrieden zu sein…für meine Begriffe immer noch eine Sackgasse.

Was ich mir von meiner krampfhaften Suche gerade verspreche, weiß ich selbst nicht genau. Anerkennung? Noch mehr Selbstbewusstsein? Etwas fürs Ego tun? Mehr Selbstwertgefühl? Ich habe leider keine Ahnung. Über Tinder habe ich als dauerhaft Vergebene immer nur müde gelächelt, unfassbare Geschichten mit Freunden geteilt und diese App liebevoll als Inkarnation menschlicher, triebhafter Abgründe bezeichnet. Jetzt bin ich selbst Opfer geworden. Ich finde es immer noch völlig absurd, Teil dieser abartigen Fleischbeschau zu sein, wohlwissend, dass das Spiel durchaus seinen Reiz hat. Ich habe mich immer gefragt, was das für Typen, egal ob Mann oder Frau, sind, die diese Art von Dating-Plattform nutzen. Da ich nun selbst zu diesem elitären Kreis gehöre, fällt es mir zunehmend schwerer, eine Klassifizierung vorzunehmen.

Was ich aber jetzt weiß, ist, wie es sich anfühlt, große Erwartungen zu haben, Angst davor zu haben, den Erwartungen nicht zu entsprechen und richtig rücksichtslos zurückgelassen zu werden. Wie gut lernt man einen Menschen beim ersten Date kennen? Wie aussagekräftig ist die Schreiberei in social media Apps, wie weit darf Selbstdarstellung gehen? Welche Ansprüche darf man an Menschen stellen, die man kaum kennt? Was darf man erwarten? Es bleiben heute mehr Fragen als Antworten. Ich bin wirklich selbstbewusst und offen, aber vielleicht einfach zu alt oder zu spießig oder zu befangen für die Dating-Welt 2.0? Keinen Plan.

Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen.

Es ist vielleicht Zeit, sich in Geduld zu üben. Wieder Menschen im realen Leben zu treffen oder einfach nur Tanzen zu gehen. Mache ich eh am liebsten.

 

109 Gedanken zu “Tinder, tanzen und der Kater danach

  1. Stephanie Jaeckel schreibt:

    Hm. Nö. Ich hab ganz am Anfang meiner journalistischen Arbeit mal ein Feature über Kontaktanzeigen gemacht. Ich hatte mir einen großen Spass davon versprochen, aber es war doch eher zum Heulen. 50% der Leute, die über Kontaktanzeigen neue Freundinnen und Freunde suchen, sind in einer festen Beziehung. Das spricht doch Bände, oder? – Was besseres finden. Oder mal etwas Abenteuer und Abwechslung. Ja, kann man sogar verstehen, wenn man da nicht selbst betroffen ist. Würde ich nie machen. Allerdings auch, weil ich feige bin. Und weil ich ganz romantisch an den richtigen Moment glaube. Und dann bleibt da auch so eine Vermutung: Wer sich selbst nicht gut aushält, na, Du weißt schon. Ich würde eher Sachen machen, die ich immer schon mal machen wollte. Doch, die gibt es, auch wenn sie tief in einem vergraben sind.

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    • keinenplanblog schreibt:

      Ich weiß glaube ich, was du meinst. Im Grunde meines Herzens bin ich sicherlich auch eine Romantikerin und ich hoffe und glaube ganz fest daran, dass es möglich ist, ganz zufällig und eben schicksalshaft Menschen zu begegnen, die dann Lieblingsmenschen werden oder eben die große Liebe. Es war letztlich ermüdend zu sehen, wie oberflächlich und belanglos die Gespräch mit den Menschen waren, die ich über Tinder kennengelernt habe… bis auf eine Ausnahme:) wahrscheinlich Zufall oder Schicksal 😉 Danke für deinen ausführlichen Kommentar!

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  2. Meinungsmacher schreibt:

    Dann ist ja gut. ^^ (gilt für beide Sätze)
    Ich hätte da auch so einiges was mir durch den Kopf geht und worüber es sich „auszukotzen“ lohnen würde, aber ich lasse es lieber, sonst gelte ich am Ende womöglich als weinerliches Weichei, der es nicht schafft mal den Hintern hoch zu kriegen. 😡

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      • Meinungsmacher schreibt:

        Stimmt natürlich, man sollte sich die positiven Dinge auch immer vor Augen halten. ^^
        Dass ich so „streng“ mit mir selbst bin, liegt wohl daran, dass ich recht lange schon intensiv versucht habe, eine Partnerin zu finden, aber stets zu hören/lesen bekam, ich solle „einfach mal raus gehen“. Aber gerade das ist für jemanden wie mich äußerst schwer. :/

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  3. keinenplanblog schreibt:

    Du sagst, für jemanden wie dich…Wer willst du denn sein? Denn wenn du mit dir selbst zufrieden bist, dann musst du keine Angst vor der Welt haben…dann bist du einfach nur du und das muss jeder, der dich kennenlernt akzeptieren und sicher werden Menschen darunter sein, die dich schätzen, so wie du bist. Da bin ich ganz sicher 🙂

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    • Meinungsmacher schreibt:

      Sorry wenn ich das gerade so interpretiere, aber … für mich klingt der Satz: „(…) und sicher werden Menschen darunter sein, die dich schätzen, so wie du bist. Da bin ich ganz sicher“ nach einer höflichen Umschreibung für: „Warte ab, die Richtige kommt schon noch“, und das habe ich schon so oft an den Kopf geworfen bekommen, dass ich kotzen könnte! 😦

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  4. confidentcontradiction schreibt:

    Ja, das Problem mit ghosting hatte ich bis jetzt auch noch nie, aber ich habe Freundinnen denen passiert das ständig. Vielleicht ist da was dran mit dem ‚man zieht sich immer die gleiche Typen an‘-Ding…
    Gut geschrieben 😉 Hab ich gerne gelesen!

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